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Das meiste spielt sich im Kopf ab:

Verbrennung, Gaswechsel und das Auf und Ab der Ventile konzentrieren sich bei halbwegs modernen
Viertaktern im Zylinderkopf. Kein Wunder also, dass diese Schaltzentrale des Motors irgendwann zur
Kur muss. Die Gründe für eine fällige Zylinderkopfüberholung können durchaus unterschiedlich sein.
In den meisten Fällen gibt der Motor jedoch mit eindeutigen Rauchzeichen zu verstehen, wann es so weit ist.
Eine blaue Auspufffahne beim Gas wegnehmen ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die
Ventilschaftdichtungen und meist auch die Ventilführungen das Zeitliche gesegnet haben.
In diesem Fall läuft Öl an den Ventilschäften entlang wird im Brennraum mit verbrannt und
schließlich zum Auspuff herausgeblasen. Anders als bei defekten Kolbenringen tritt dieser
Effekt nur beim Gaswegnehmen auf, weil dann hinter der geschlossenen Drosselklappe Unterdruck
herrscht, der das Öl am Einlassventil vorbeigesaugt. Während sich die Schaftdichtungen bei vielen
Motoren auch ohne Demontage des Zylinderkopfs wechseln lassen, stellt der Austausch der Führungen
einen Eingriff am offenen Herzen dar der sinnvollerweise mit einer Komplettüberholung des Kopfes
einhergehen sollte.

Auf der Suche nach der Ursache

Es gibt auch andere Symptome, die eine Kopfüberholung notwendig machen. Kompressionsverlust
auf einzelnen Zylindern deutet darauf hin, dass hier ein Ventil verbrannt ist oder wegen erheblicher
Ölkohleablagerungen nicht mehr dichthält. Auch hier könnten verschlissene Kolbenringe die Ursache
des Kompressionsverlusts sein, was sich durch eine Druckverlustprüfung eindeutig klären lässt. Dabei
wird der betreffende Zylinder bei geschlossenen Ventilen über die Zündkerzenbohrung an Druckluft
angeschlossen. Ist am Auspuffendrohr ein Rauschen hörbar, pfeift die Luft durch das undichte Auslassventil
heraus. Ertönt das Rauschen im Luftfilter, ist es das Einlassventil. Rauscht es am Öleinfüllstutzen, entweicht
die Luft an den Kolbenringen vorbei ins Kurbelgehäuse. In den ersten beiden Fällen reicht es, lediglich den
Zylinderkopf zu demontieren, im letzteren muss der ganze Motor raus – entweder um einem Austauschaggregat
Platz zu machen oder für eine gründliche Überholung. Im Fall unseres Mercedes-280S-Sechszylinders lag das
Problem ganz woanders.

Zylinderkopfüberholung
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Totalschaden nach Riss im Kühlwasserschlauch

Durch einen Riss im Kühlwasserschlauch hatte der W108 Wasser verloren – was die
beste Ehefrau von allen selbst dann nicht bemerkte, als das Fernthermometer im Kombiinstrument bereits
geplatzt war. Und als sich der Sternenkreuzer an der nächsten Ampel in eine dichte Dampfwolke hüllte,
war es um den mittlerweile nur noch luftgekühlten Zylinderkopf bereits geschehen. Durch die thermische
Überlastung hatte sich am fünften Zylinder ein Riss vom Auslassventil zum Kerzengewinde gebildet,
der bis in den Wassermantel reichte. Klarer Fall von Totalschaden – zum Glück nur für den Kopf. Der Grauguss-Motorblock hatte die Tortur unbeschadet überstanden. Im OLDTIMER-MARKT-Kleinanzeigen teil fand sich schnell ein Ersatz-Zylinderkopf aus einem Schlachtfahrzeug. Der Zustand dieses Spenderorgans erwies sich als außerordentlich gut und das Vermessen ergab, dass es noch nie geplant worden war. Allerdings kam der neue alte Kopf völlig kahl daher – ohne Ventile, ohne Nockenwelle und Schwinghebel (wie die Schlepphebel im Daimler-Jargon heißen). Trotz einer Gesamtlaufleistung von über 300.000 Kilometern erwiesen sich Nockenwelle, Schwinghebel und deren einstellbare Lagerböcke beim Originalkopf als nahezu makellos und ohne Bedenken weiter verwendbar. Den Ventilen mit durchaus vertretbarem Verschleiß an den Schäften mochten wir einen erneuten Langzeiteinsatz allerdings nicht mehr zumuten.

Gleichzeitiger Umbau auf Bleifrei?

Im Rahmen einer Zylinderkopfüberholung müssen nämlich die neuen Ventilführungen an das Maß der Ventilschäfte angepasst werden, und das wären in diesem Fall zwölf verschiedene Werte gewesen.  Ein Fall für Profis ist eine Zylinderkopfüberholung schon allein wegen des notwendigen Maschinenparks, der die Möglichkeiten eines Hobbyschraubers normalerweise weit übersteigt. Wer den Kopf allerdings selbst aus- und einbaut und auch die Anbauteile demontiert und später wieder montiert, kann schnell ein paar Hundert Euro sparen. Fast immer wird der Motorenbauer auch den Umbau auf Bleifrei-Ventilsitzringe empfehlen. Das bezieht sich wegen der höheren thermischen Belastung meist nur auf die Ringe der Auslassseite. Die Notwendigkeit des Bleifrei-Umbaus ist auch unter Fachleuten umstritten. Denn es gibt etliche Motoren, die seit Einführung der bleifreien Kraftstoffe auch ohne diese Modifikation problemlos arbeiten.

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Der Motor des Mercedes 280 S läuft wieder wie ein Schweizer Uhrwerk

Auf jeden Fall sollte man das Ventilspiel nach einer Zylinderkopfüberholung im Auge behalten, da sich die Ventile auf den ersten 1000 Kilometern oft noch etwas setzen, was sich durch ein verringertes Spiel bemerkbar macht. Wie die Arbeiten im Detail vor sich gehen, haben wir bei Väth Automobiltechnik in Hösbach bei Aschaffenburg Schritt für Schritt fotografiert. Für den Sechszylinderkopf des Mercedes 280S kostete die Komplettüberholung inklusive neuer Ventile und Bleifrei-Umbau rund 2400 Euro. Hinzu kommen noch eine neue Zylinderkopfdichtung und neue Dichtungen für Ansaug- und Auspuffkrümmer. Und wenn der Kopf schon mal auf der Werkbank liegt, sollte man sich auch die Komponenten des Ventiltriebs genau anschauen. Eventuell müssen noch Schlepp oder Kipphebel, Federn oder Stößel erneuert werden – insgesamt ein teurer Spaß. Aber anschließend lief der Motor wie ein Schweizer Uhrwerk…

TEXT UND FOTOS Peter Steinfurth
Die komplette Überholung in Bildern

In dieser Galerie finden Sie alle Arbeitsschritte der Zylinderkopf-überholung mit Erklärung im Überblick

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